Florian
Die folgenden Zeilen
dienen nicht der Verstärkung der Einschaltquoten auf unserer Homepage. Alles
ist tatsächlich genau so passiert. Manchmal denke ich; sitzt der Teufel irgendwo
und legt ein Gewicht nach dem anderen auf meine Schultern und schaut wie viel
ich aushalte, bevor ich zusammenbreche. Aber der Reihe nach…
Unsere Maschine war
also nur für ca. 5 Minuten einsatzfähig,
bevor sie überhitzt und wir sie abschalten mussten. Ich wusste also, dass wir
für das Anlegemanöver in der kleinen Marina neben dem großen Hafenbecken in
Reggio Calabria nur eine Chance hatten. Wir sind also unter Segel aufgekreuzt,
25-30 Knoten Wind, 1. Ref in Groß und Fock. Ca. ½ Seemeile nördlich von der
Hafeneinfahrt; dann also Groß geborgen, Fock auf 1 m² verkleiner und mit ca. 2
Kn Fahrt vor dem Wind Richtung Hafen. Martina bringt die Fender aus. 100m vor
der Hafeneinfahrt ein Aufschrei von Martina – „Ich hab den Fender verloren“.
Einer unserer neuen Fender treibt 30 m Steuerbord von uns vor dem Wind.
Nachfahren und den Motor womöglich überhitzen und nicht anlegen können? Ich
lasse den Fender Fender sein und wir überqueren die Hafeneinfahrt; gleich links
danach geht es in die kleine und enge Marina. Der Marinero weist mir einen
Platz zu – alle Plätze quer zum starken Wind. Mein Bug treibt ab, ich setze
retour, versuche in den zugewiesenen Platz einzufahren; da „schreit“ unser
Motor, Martina schaut auf den Thermometer; über 100 Grad. Der Motor quietscht,
wie wenn man eine große Ratte mit
Stumpfer klinge rasiert (denke so müsste das klingen – keine Angst, gemacht
habe ich das eh noch nie). Ich denke „Kolbenreiber“ und rufe „Abbruch“, wir
fahren unter letzter Motorkraft in das große Hafenbecken; Maschine aus – wir
treiben im Wind – 15 Knoten gegen die noch ca. ¼ sm entfernte Hafenmole. Der
Marinero mittlerweile mit Schlauchboot versucht mich mit seinem Bug in die
richtige Richtung zu bugsieren. Noch ist ein Boller in Reichweite. Ich gebe ihm
meine Leine und ersuche uns dort anzuhängen. Er ist zu langsam und wir treiben
zu schnell; es geht nicht, ich werfe meine Leine über Bord.
Segel setzen!
Martina ans Steuer, ich reiße das Groß hinauf. Die ESPERANZA legt sich quer zum
Wind und nimmt Fahrt auf – gerade auf eine längsseits liegende Fähre. Fock
heraus. Groß fieren, Ruder hart Steuerbord, dreh dich!! Bange Sekunden – Fähre
querab auf Kollisionskurs. Langsam dreht die ESPRANZA vor den Wind; Pffff - Kollision
mit der Fähre abgewendet. Noch sind wir aber mitten im Hafenbecken unter Segel
– das haben die hier denke ich seit der motorisierten Seefahrt nicht mehr
gesehen.
Es bleibt uns nichts
anderes über als gegen den Wind aus dem Hafenbecken aufzukreuzen. Wer auf ¼ sm
Raum schon einmal mit einem 15 Tonnen Langkieler unter dem Hintern aufgekreuzt
ist, darf gerne seine Meinung kundtun. Allen anderen darf ich mitteilen: “Es
ist wirklich, wirklich verdammt schwierig“. Martina und ich haben es dennoch
geschafft.
Endlich sind wir aus
dem Hafenbecken heraus, da meldet sich Coast Guard, ob wir assistance benötigen.
Ich verneine, sie bleiben hartnäckig und bieten ihre assistance an. Wer die
Probleme um Bergelohn kennt, wird die Annahme von assistance wohl überlegen.
Ich teile der Coast Guard mit, dass wir auf sicherer Position ankern werden,
abwarten, bis der Wind weniger wird und dann neuerlich ein Anlegemanöver
versuchen werden. Sie sind zufrieden und lassen uns unseres Weges ziehen.
Wir kreuzen ca. ½ sm
auf und ankern sehr, sehr knapp zum Ufer auf ca. 8 m Wassertiefe. Endlich
sicher. Durchschnauffen. Wir beobachten unsere Position zum Ufer und stellen
fest, dass der Anker rutscht; zu früh gefreut. Zweiter Anker hinunter. Der
liegt natürlich auf einem Haufen direkt unter unserem Schiff. Ich Taucherbrille
und tauche zum zweiten Anker und versuche diesen durch Tragen über den
Meeresgrund auf 8m Tiefe in Position zu bringen. Dabei hilft es, wenn man
jahrelang Hügelsprints gemacht hat; aber ohne Spikes ist der Grip schlecht und
auf 8 m Tiefe ist nach einigen Metern Schluss mit Luft. Also heraus mit dem
Tauchzeug. Tauchjackett und Flasche; gut, dass wir uns entschieden haben, diese
mitzunehmen. Natürlich kein Blei in der Geschwindigkeit – ich strample hinunter
zum zweiten Anker. Ich denke an James Bond – das wäre eine interessante
Unterwasserszene. Ich mit Anker auf der Schulter im Retourgang (wegen der
Flossen!) über den Meeresgrund Anker austragen. Dann endlich geschafft. Beide
Anker liegen akzeptabel. Die ESPERANZA liegt festgenagelt.
Wieder Durchschnauffen!!
Wunden lecken!! Hier können wir nicht lange bleiben, 15 Meter neben den kleinen
Booten der Einheimischen. Der Wind darf auch nicht drehen, sonst sitzen wir auf
einem dieser Boote. Ich ab in den Motorraum. Sobald man den Motor aufdreht
quietscht er. Ich denk zunächst, es sei die Welle, aber es quietscht auch, wenn
kein Gang eingelegt ist. Telefonkontakt zu Martinas Papa: Keilriemen
kontrollieren. Als ich mir den näher ansehe stelle ich fest, dass er locker
sitzt. Als ich ihn spannen will, sehe ich, dass die Stellschraube, die die
Distanz der Lichtmaschine regelt gebrochen ist. Neue Schraube aus dem
Schraubenfundus, Schraube austauschen, neu ausrichten, spannen, anziehen –
fertig. Motor quietscht nicht mehr. Zum Glück also kein Kolbenreiber.
Um ca. 18 Uhr lässt
der Wind nach und wir haben nur noch ca. 10 Kn. Zwei Anker aufziehen ist nicht einfach. Die mittlerweile erkaltete
Maschine auf Standgas und Martina an der Ankerwinsch übernehmen den Hauptanker.
Ich mit der Kraft der (fast) Verzweiflung den anderen Anker; aus den Beinen
ziehen., nicht aus den Armen. 20 m Kette samt Ankertrosse und 30 Kg Anker. Ich
denk nur „ Aufgeben gibt’s nicht“. Endlich haben wir beide Anker geborgen und
der Bug der ESPERANZA zeigt Richtung offenes Meer.
Wir segeln neuerlich
mit 1 m² Fock vor dem Wind auf die Hafeneinfahrt zu. Der Plan ist, dass Martina
mit dem Dingi (unser kleines Schlauchboot mit 9 PS Motor) eine Leine im großen
Hafenbecken zur Mole ausbringt, damit wir an einem Punkt fixiert sind, und ich
mit der Maschine auf Standgas uns dann an die Mole bringen kann. Kurz vor der
Einfahrt kommt mir eine kleine Fähre aus dem Hafenbecken entgegen – na
wunderbar. Die Fähre hupt mich laut an – ich ans Funkgerät und teile ihr auf
Kanal 16 mit, dass ich keine Maschine habe und nur unter Segel fahre. Das
überzeugt sie, und sie halten sich zur anderen Seite der Hafeneinfahrt. Als wir
im Hafenbecken sind, drehe ich die Maschine auf – die Uhr läuft. Ich drehe nach
Backbord bringe uns Richtung Mole. Martina voraus im Dingi. Sie fährt zum
vorausgemachten Ring an der Kaimauer, zieht die Leine durch und kommt zurück.
Als sie mir entgegen fährt kreuzt sie mit dem Dingi die Leine, sie verliert die
Festmacherleine in ihrer Hand und zieht mit dem Dingi das Ende wieder aus dem
Ring. Ich rufe ihr zu sie soll die Leine neuerlich aufnehmen, Sie: „Ich kann
nicht“; Ich: „fahr zum Schiff und nimm sie am Anfang wieder auf. Sie: „ ich kann
nicht ich habe die Leine in der Schraube". Ich beruhige sie. Sie soll die Leine
nur vom Schaft des Motors lösen, dann ist sie wieder frei. Sie kämpft. Ich
treibe auf die Mole zu, eine Böe beschleunigt mich; ich Retourgang hinein, um
Abstand zu gewinnen. Maschine stirbt ab – Ich habe die Leine von Martina in der
Schraube – diesmal aber wirklich.
Wir treiben Richtung
Mole. Ich zische nach vorne Richtung Bug, nehme eine neue Leine, belege sie am
Bug, da spitzt die ESPERANZA auch schon mit dem Bugspriet in die Kaimauer, Holz
splittert. Ich springe auf die Kaimauer, hole die Leine dicht und versuche sie
an einen Boller festzumachen – zu kurz. Ich stemme mich mit aller Kraft in die
Leine: Seilziehen Florian gegen ESPERANZA unter Windabdrift. Ich denke nur –
nicht nachlassen. Endlich erreiche ich den nächster Boller – Leine herum,
Palstek, keinen Fehler machen – fest. ESPRANZA zielt wie ein Einhorn mit ihrem
Bugspriet neuerlich auf die Kaimauer zu. Ich zisch hin und halte sie davon ab,
nochmals die Kaimauer „zu küssen“. Endlich kommt sie längsseits. Ich deute
Martina, dass wir sicher sind, und sie mir die Achterleine zum Festmachen werfen
soll.
In Anbetracht der Probleme, die wir heute hatten und gemeistert haben ist das zerbrochene Gräting am Bugspriet eine Lappalie.
Endlich liegt unsere
ESPRANZA festgezurrt und sicher. Verschnauffen. Martina ist mit den Nerven
fertig. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie die Leine nicht belegen konnte. Ich
beruhige sie und meine, ab jetzt wird sie immer Dingifahren, um das ordentlich
zu üben, dass klappts beim nächsten Mal. Da wir zu weit in der Mitte der
Kaimauer hängen müssen wir die ESPERANZA noch ca. 100m nach vorn ziehen, um die
Berufsverkehr nicht zu stören. Als wir auch das nach einer Stunde im Kampf
gegen den Wind geschafft haben, als wir unser Schiff für die kommende Nacht sicher
wissen, da öffnen wir das einzige an Bord verbliebene Bier. In diesem Moment
habe ich gedacht: “Das ist das beste Bier meines Lebens“.
das liest sich ja wie ein Krimi. Wahnsinn. Gratulation zu diesem Manöver!!
AntwortenLöschenlg und Bussi Silvia (Heinzl)
Whoa, ich hab ja nur beim Lesen Puls bekommen, bravo, die Situation gut gemeistert.
AntwortenLöschenWheelchairpilots Kommentar: irgendwie hats offenbar bei der Vorbereitung gehapert, dass die Motorkühlung nicht ausreicht sollte eigentlich vor der Abfahrt...
Hey, wurscht. Toll gemeistert, und ab jetzt wirds ja hoffentlich besser werden (ich les' den Blog von hinten nach vorne ;-))
Immer den richtigen Wind wünsch' ich Euch, Ernest