12.-15.10.2018
Florian
Um 10:30 Uhr gehe ich Anker auf und den Fluß bei Ebbe hinunter, bis ich wieder am offenen Meer bin. Ab nun muss ich nach Westen. Ich habe Tracks (also Spuren) von anderen Schiffen auf Open CPN, die ich verfolge, denn das Meer ist hier sehr seicht und es gibt viele Untiefen - also ein heikles Segelrevier.
Der Wind ist mühsam, teilweise auf die Nase dann wieder gar nichts, dann wieder brauchbarer, dann wieder nichts und auch die Strömung ist gegen mich. So muss ich oft motoren, was mir überhaupt nicht gefällt. Es geht mit viel Segel rauf, Segel runter, Motoren, Segel Rauf, Segel runter, Motoren durch die Nacht. Mit 15 minütigen Schlafintervallen kämpfe ich mich durch, in den frühen Morgenstunden ist es immer am schwierigsten. Aber zum Glück ist in der Nacht wenigstens angenehm kühl.
Am nächsten Tag dasselbe Spiel der Wetterhexen. Ich nütze die Zeit, um das Dingi wieder einmal zu kleben. Das übliche Spiel im tropischen Klima. Als um 13:00 Uhr Gegenströmung und Gegenwind zusammentreffen werfe ich den Anker (und nicht die Nerven weg) und lege mich schlafen.
|
Dingi kleben |
Um 16:00 Uhr habe ich wieder ein wenig Wind und es geht motorsegelnd weiter, bis um 20:00 Uhr der Wind am Südwesteck von Borneo wieder auf die Nase kommt und dann komplett einschläft - wieder werfe ich den Anker, drehe alle Lichter auf - denn ich bin mitten am Meer - und lege mich an Deck schlafen.
|
Wind auf die Nase |
Um 00:30 Uhr weckt mich der Wind auf und es geht weiter. Bei Wind aus Nordnordwest und nach Süden setzender Strömung kann ich nicht genug Höhe laufen, um "meiner" Spur zu folgen, also entscheide ich mich die Java-See bereits hier im Süden von Borneo zu queren. Das macht entsprechend nervös, denn ich betrete seglerisches "Neuland" und die Seekarten hier sind oft ein Glücksspiel.
Am Vormittag ziehen dunkle Wolken auf und ich versuche ihnen unter Motor zu entkommen, aber leider holen sie mich ein. Rasch lege ich das 2. Reff ins Groß und reffe auch die Genua 2/3, als es - PENG!! - auch schon losgeht. Starkregen, Sturmböen bis etwa 30 Knoten - aber zumindest aus der richtigen Richtung.
|
Schwarze Wolken ziehen auf |
|
Und los geht die Achterbahnfahrt |
|
Der Passagier allerdings nicht ganz begeistert davon |
So gehts wenigstens weiter meinem Ziel Belitung entgegen. Aber anstrengend ist es schon, die Angst kommt dazu, denn die Blitze um mich herum sind prächtig, das Meer schäumt und der peitschende Regen ist unbarmherzig. Segeln kann schon echt Scheiße sein!! Ich fluche meinen Frust in den Sturm, vergieße einige Verzweiflungstränen und versuche mich zu motivieren - es ist nicht einfach. Daheim kann man sich das nicht vorstellen, denn im Wohnzimmer ist leicht Weltmeister sein. Hier draußen ist niemand, der dir helfen kann (und auch niemand weit und breit zu sehen) - also musst du dich da alleine mit deinen Weisheiten durchkämpfen.
Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei, ich kann ausreffen und bearbeite mein Stimmungstief - eine gute kräftige Suppe, Stück Schokolade und dann eine halbe Stunde Schlaf. Danach wirkt die Welt wieder rosiger. Es ist wichtig zu wissen, wie man seine Ängste und Depressionen bekämpft. Laufen geht jetzt leider nicht (das funktioniert immer), aber ein wenig Schlaf hilft.
Und dann ist der Wind komplett aus und ich treibe nach Süden - 2,5 Knoten Gegenströmung - und ich muss noch eine Nacht durchhalten.
|
Sonnenuntergang am 3. Tag und Fischer am Horizont - kein Schlaf möglich |
Also Motor an und mit langsamen 3,4 Knoten dem Ziel entgegen. Es ist frustrierend. So geht es die ganze Nacht. Mit Red Bull - meiner letzten "Waffe" gegen die Müdigkeit - bleibe ich wach, denn es gibt Fischer und Untiefen - viel Schlaf ist also nicht möglich. Am Morgen sehe ich Belitung - eine Erlösung, die motiviert und Kraft gibt.
|
Auch am vierten Tag geht die Sonne wieder auf |
|
Belitung am Horizont |
Mühsam geht es unter Motor bis zur Nordostecke der Insel, dann durch eine Inselpassage und endlich ist diese depperte Gegenströmung weg und die ESPERANZA zieht mit 5,8 Knoten durch die spiegelglatte See. Ich bekomme wieder einige 15-minütige Schlafinjektionen und arbeite mich die Nordküste entlang bis ich endlich den Ankerplatz sehe.
|
Ankerplatz voraus - und schon wieder "Gewitterwarnung" |
Um 13:00 Uhr fällt der Anker an der Nordwestecke von Belitung - 278 Seemeilen zurückgelegt, 35 Stunden (!) unter Motor. Jetzt noch die letzten Blogs schreiben (hoffentlich bekomme ich die Hektar und km² richtig hin) und dann entspannen.