06.05.-08.05.2017
Martina
Wir verlassen den bereits seit Tagen ungemütlichen
Bojenplatz von Niue und setzen Segel. Noch denken wir: „ Alles besser als hier
an der Boje zu schaukeln, als wären wir im Wellenbad!“
Die Windvorhersage lautet: zuerst schwacher Wind aus SW, für
den zweiten Tag ist der Winddreher auf SO mit bis zu 30 Knoten vorhergesagt.
Florian meint: "Kein Problem, wir können ja reffen!“
Erstaunlicherweise haben wir zu Beginn eine angenehme Brise
aus Süd, und segeln gemütlich in die erste Nacht. Um 4 Uhr in der Nacht stellt
sich eine nicht vorhergesagte Flaute ein, wir bergen die Segel und treiben im Südpazifik. Gegen 5 Uhr Früh, während meiner Freiwache, kehrt der Wind zurück,
und der geplante Ostwind setzt ein. Jetzt sind wir so richtig schnell, aber mit
Genua und Großsegel können wir nicht Richtung Tonga segeln. Entweder müssen wir
vor dem Wind abkreuzen und dadurch eine viel längere Überfahrt in Kauf nehmen,
oder wir stellen die Besegelung auf 2 Vorsegel um, können dadurch direkten Kurs
auf Tonga nehmen, aber wir rollen die
letzten 160 Meilen nach Tonga.
Florian entscheidet mit zwei ausgebaumten Segeln direkt Kurs
auf Tonga zu nehmen. Wir überqueren die
Datumsgrenze am Sonntag den 07.05.2017 und verlieren von einer Sekunde auf die
andere einen Tag, jetzt haben wir Montag den 08.05.2017. Haben davor viel spekuliert, was denn da
passieren wird! Eigentlich passiert nichts, außer dass man einen Tag
übersprungen hat. Zwei Tage Überfahrt in
drei Tagen.
Trotzdem, wir werden diesen Sonntag nicht so schnell
vergessen. Der Wind nimmt ständig zu, und wir verkleinern die Segelfläche im Halbstundentakt.
Die Welle wird immer größer und unsere Esperanza beginnt die Wellenberge hinunter
zu surfen. Der Himmel ist grau in grau, es regnet bis auf kurze Unterbrechungen
permanent. Der Anblick des stillen Ozeans hat sich in ein wildes graues Ungetüm
verwandelt.
Ich liege im Salon, mein Seekrankheitspflaster verweigert seit Stunden seine Wirkung, und der Wind legt weiter zu. Wir verriegeln alle Luken und sperren uns in der Esperanza ein. Immer wieder knallen Wellen an die Bordwand, steigen in unser Cockpit ein und verwandeln die Plicht in ein Schwimmbad. Wenn sich die Welle am Bug aufstellt, dann bricht sie auf unser Deck, dass selbst durch die kleinsten Spalten der Esperanza Salzwasser eindringt.
Ich liege im Salon, mein Seekrankheitspflaster verweigert seit Stunden seine Wirkung, und der Wind legt weiter zu. Wir verriegeln alle Luken und sperren uns in der Esperanza ein. Immer wieder knallen Wellen an die Bordwand, steigen in unser Cockpit ein und verwandeln die Plicht in ein Schwimmbad. Wenn sich die Welle am Bug aufstellt, dann bricht sie auf unser Deck, dass selbst durch die kleinsten Spalten der Esperanza Salzwasser eindringt.
Eine große Welle und eine kurze Unaufmerksamkeit von Florian,
schleudert ihn von der Pantry (Küche) auf den Navigationstisch. Er knallt mit
dem linken Oberschenkel gegen den massiven Tisch. Ein starker Schmerz, aber
Gott sei Dank kein Bruch oder Platzwunde, raubt ihm für einige Minuten den
Atem. Immer eine Hand fürs Schiff, jetzt sind wir wieder daran erinnert.
Mittlerweile hat der Wind auf 35 Knoten zugelegt und die
Welle übersteigt teilweise eine Höhe von 4 Metern. Wild und mächtig kommt sie
von achtern angerollt und presst sich unter unser Schiff, packt uns und spült
uns einige Meter später wieder aus. Das sind dann die Momente in denen wir
unkontrolliert durchs Wasser driften.
Die Stimmung an Bord ist angespannt, verängstigt und
sprachlos. Florian schaut mich an und sagt: „Jetzt nur nicht durchdrehen!“ Ich
weiss, ich darf meine Ängste nicht aussprechen, und so schlucke ich sie hinunter
und schweige. Ich erinnere mich an die Aussage eines erfahrenen Seglers der
meinte: „Wenn so richtig schlechtes Wetter ist, dann lege ich mich schlafen
und lasse das Schiff alleine fahren!“ Also lege ich mich wieder im Salon nieder
und hoffe dass der Kelch gut an uns vorüber geht. Kaum fertig gedacht, knallt
es an der Bordwand, es schleudert uns auf die Steuerbordseite, und die gut
verstauten Dinge beginnen wie in Zeitlupe zu fliegen. Zuerst sehe ich die
Sitzauflagen, Polster, Hüte und Zeitungen fliegen. Ich verspreize mich
reflexartig zwischen Tisch und Sitzrückwand und werfe einen Blick Richtung
Naviplatz wo Florian sitzt. Mein Blickfeld wird von fliegenden Auflaufformen, die sich gerade aus dem Herd verabschieden gekreuzt. Sie knallen auf den Boden
und eine Glasform zerbricht in tausend Scherben. Wir haben quergeschlagen und
uns erfreulicherweise gleich wieder aufgestellt. Es ging alles so schnell, ist aber
trotzdem wie ein Zeitlupenfilm abgespeichert. Die nächsten Wellen haben dann
die Scherben brav im Schiff verteilt. Florian kämpft sich hinaus ins Cockpit
und schaut. ob es irgendwelche Schäden gibt und bringt die ESPERANZA wieder auf Kurs. Ich bahne mir über die Salonbank
einen Weg um Schuhe aus dem Kasten für uns zu holen. Nur keine Schnittverletzungen
jetzt, das wäre ein schlechter Moment.
Entwarnung, abgesehen von Weltuntergangsstimmung ist seglerisch
alles ok. Ich schlucke meine hochkommenden 2 Toastbrotscheiben der letzten 30
Stunden wieder hinunter, und versuche alle Glasscherben einzusammeln.
Die restliche Nacht bleibt wild aber ohne weitere Katastrophen.
An Schlaf ist zwar nicht zu denken, aber
wir dösen abwechselnd und sehnen uns nach der aufgehenden Sonne. Um 7 Uhr in
der Früh ruft Florian die erlösenden Worte: „Land in Sicht!“ Jetzt geht alles
leichter, die letzten Meilen werden wir auch noch schaffen, und dann, ja dann
wird alles Gut!!
Die längsten 265 Seemeilen, und die aufregensten 45 Stunden
unseres Abenteuers, hätte gerne darauf verzichtet. Ich dachte nur:“Wenn jetzt
jemand zu mir sagen würde, wir sind auf Urlaub, dann kratze ich ihm die Augen
aus“. Also Vorsicht!!!
Ja da bin ich aber froh, dass Ihr das überstanden habt, halbwegs gut!! Jetzt ruht Euch erst einmal aus, auch alles weitere wird schon klappen! Bussi Mutti
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